siyu song
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Bewerbungsgespräch als Prüfungsassistent
Ich war 30 Minuten vor meinem Termin (16 Uhr) vor Ort, musste jedoch bis 16:30 Uhr an der Rezeption warten – ohne jegliche Information oder Abholung. Der Zugang zu den Büros war nur mit Karte möglich, sodass ich vor einem Besprechungsraum ausharren musste, bis mich endlich der Geschäftsführer abholte. Schon verärgert fragte ich, ob das Gespräch überhaupt stattfinden würde, woraufhin er meinte, ob ich noch Interesse hätte.
Ich begann, mich vorzustellen, als plötzlich ein weiterer Geschäftsführer hereinkam – die Person, mit der ich auch per E-Mail Kontakt hatte. Die beiden begannen, sich miteinander zu unterhalten. Ich unterbrach und bat darum, meine Vorstellung fortzusetzen. Es gab jedoch weder eine Vorstellung der Gesprächspartner noch eine Vorstellung des Unternehmens.
Stattdessen begannen sie sofort, mir Fachfragen zu stellen. Zum Beispiel wurde ich gefragt: „Für die Bewertung von Vorräten, welches Prinzip gilt?“ Ich habe korrekt geantwortet, dass gemäß HGB das Niederstwertprinzip gilt und IFRS der aktuelle Marktwert berücksichtigt.
Bei einer Frage zu steuerlichen Aspekten, mit denen ich vertraut bin, jedoch nicht optimal antworten konnte, erhielt ich den spöttischen Kommentar „Learning by doing?“. Ich habe betont, dass ich bereit bin, mich in der Praxis weiterzubilden.
Man hat mich gefragt, was ich mir unter der Tätigkeit in der Wirtschaftsprüfung vorstelle. Ich habe geantwortet, dass die Prüfung des Jahresabschlusses, des Anhangs und des Lageberichts dazugehört. Daraufhin wurde ich speziell zum Lagebericht befragt. Ich habe ehrlich geantwortet, dass ich dieses Thema an der Universität behandelt habe und im Rahmen meiner Studienarbeit auch damit zu tun hatte, sodass ich über grundlegende Kenntnisse verfüge. Allerdings ist mir bewusst, dass der Lagebericht vor allem bei kapitalmarktorientierten Unternehmen eine Rolle spielt. Angesichts der Tatsache, dass ich mich auf eine Einstiegsposition als Prüfungsassistentin beworben habe, empfand ich die Fragen insgesamt als übermäßig anspruchsvoll und teilweise wenig angemessen für diese Position.
Dann wurde ich gefragt: "Wie würden Sie eine Forderung prüfen?" Ich erklärte, dass ich keine praktische Erfahrung habe, aber logisch vorgehen würde. Da man eine Forderung nicht wie ein Sachanlagevermögen oder Vorräte physisch prüfen kann, würde ich zunächst die Rechnungen einsehen. Diese Antwort wurde nicht wirklich anerkannt. Stattdessen wurde mir gesagt, ich müsse kreativer sein: "Sie sind Master, Sie sollten kreativ sein." Das empfand ich als sehr irritierend, da die Wirtschaftsprüfung sich an Standards und rechtlichen Vorgaben orientiert – Kreativität spielt hier nur eine untergeordnete Rolle.
Ich hatte zudem oft den Eindruck, dass die gestellten Fragen gar nicht als klare Fragen formuliert waren. Teilweise war mir gar nicht bewusst, dass gerade eine Frage gestellt wurde, und ich musste nachfragen, was genau gemeint sei.
Mir wurde im Gespräch nahegelegt, meine grundsätzliche Eignung für die Branche zu hinterfragen. Unterschiedliche Erwartungen sind im Bewerbungsprozess normal, jedoch wurde dies in einer abwertenden und respektlosen Weise kommuniziert, die ich als unprofessionell empfunden habe.
Zudem wurde mir während des Gesprächs signalisiert, dass sie an meinen Fähigkeiten zweifeln würden, obwohl ich mich auf eine Einstiegsposition beworben habe. Ich habe betont, dass ich über die theoretischen Grundlagen verfüge und bereit bin, in der Praxis weiterzulernen. Die Anforderungen für diese Position erschienen mir überzogen – insbesondere angesichts der Tatsache, dass mir später ein Gehalt von nur 36.000 Euro angeboten wurde. Dies steht in keinem Verhältnis zu den hohen Erwartungen. Nach diesem Gespräch und den unprofessionellen Kommentaren fühle ich mich emotional sehr verletzt.
Meine Weiterbildungen habe ich alle mit nahezu voller Punktzahl abgeschlossen, und mein Master zeigt, dass ich über fundiertes Wissen verfüge.
Fazit: Zeitverschwendung